In einer Zeit, in der wissenschaftliche und technologische Innovationen unser Leben und die globale Sicherheit grundlegend verändern, steht die internationale Gemeinschaft vor einer doppelten Herausforderung: Wie lassen sich die Chancen nutzen, ohne die Risiken zu unterschätzen? Der UNO-Sicherheitsrat wird unter der Leitung von Bundesrat Ignazio Cassis am 21. Oktober 2024 genau diesen Fragen nachgehen. Im Zentrum steht die Notwendigkeit, wissenschaftliche Innovation und ihre Auswirkungen für Frieden und Sicherheit zu antizipieren und möglichen Handlungs- und Regulierungsbedarf zu erkennen.

In einer Welt, die sich immer schneller verändert, stehen wir vor Entwicklungen, die tief in unser gesellschaftliches Gefüge eingreifen. Besonders neue Technologien und bahnbrechende wissenschaftliche Entwicklungen bieten grosse Chancen. Aus den neuen Technologien können jedoch auch Risiken entstehen. Sie fordern die internationale Staatengemeinschaft heraus und es gilt wissenschaftliche Fortschritte gezielt zu nutzen, um zukünftige Konflikte zu verhindern und den Frieden zu sichern.

Dem UNO-Sicherheitsrat fällt in diesem Kontext eine wichtige Rolle zu. Gemäss UNO-Charta ist er für die Wahrung des internationalen Friedens und der Sicherheit verantwortlich. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, muss der Rat auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen bleiben und diese aktiv nutzen. Unter der Leitung von Bundesrat Ignazio Cassis wird sich der Sicherheitsrat am 21. Oktober 2024 mit dieser Thematik befassen. Ziel der Ratssitzung ist es, nicht nur die aktuellen Entwicklungen wissenschaftlicher Innovation zu analysieren, sondern auch deren zukünftige Auswirkungen auf den internationalen Frieden und die Sicherheit zu antizipieren. Wissenschaft und Technologie entwickeln sich in rasantem Tempo, und der Rat muss heute die Weichen stellen, um auf diese neuen Herausforderungen vorbereitet zu sein. Es geht darum, nicht nur auf Krisen zu reagieren, sondern auch präventiv zu handeln. Dazu müssen auch die nötigen Rahmenwerke greifen. Die Entwicklung dieser wissenschaftlichen und technologischen Innovationen findet nicht im rechtsfreien Raum statt und obliegt dem Völkerrecht, einschliesslich dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten. Wo nötig sollen deshalb Regulierungen und Normen gestärkt oder weiter entwickelt werden, um sicherzustellen, dass technologische Fortschritte friedlich genutzt werden und nicht zu neuen Bedrohungen führen.

Beiträge aus der Wissenschaft für den UNO-Sicherheitsrat

Als Ratsvorsitzende hat die Schweiz für die Ratssitzung vom 21. Oktober 2024 vier Personen aus der Wissenschaft und dem internationalen Genf eingeladen, die den Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrats auf Basis ihrer täglichen Arbeit erklären, welchen Einfluss die Wissenschaft und neue Technologien auf internationalen Frieden und Sicherheit haben können.

So ist es im Rahmen ihrer Forschung der Professorin Jocelyne Bloch und dem Professoren Grégoire Courtine von der EPFL und der Universität Lausanne gelungen, eine Person, die eine Rückenmarksverletzung erlitten hatte, mithilfe eines Implantats wieder laufen zu lassen. Diese bedeutende wissenschaftliche Entwicklung könnte sich auf das Leben von Millionen von Menschen auswirken, die in Konfliktsituationen, als Opfer von Antipersonenminen oder in anderen Situationen geschädigt wurden.

In ihren Beiträgen werden Robin Geiss, Direktor von UNIDIR, und Amin Awad, Präsident des DCAF-Stiftungsrats, auf die Auswirkungen anderer wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen auf den internationalen Frieden und die Sicherheit aufmerksam machen, wie beispielsweise künstliche Intelligenz oder synthetische Biologie. Die eingeladenen Expertinnen und Experten werden den Sicherheitsrat dazu aufrufen, sich regelmässig über wissenschaftliche und technologische Entwicklungen zu informieren, um bestimmte Entwicklungen im Bereich des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit zu antizipieren.

Chancen und Risiken neuer Technologien

Ein aktuelles Beispiel ist der rasante Anstieg von Cyberangriffen, die nicht nur Unternehmen und Regierungen treffen, sondern auch lebenswichtige Infrastrukturen wie Energie- und Wasserversorgung ins Visier nehmen. Solche Attacken können das Vertrauen zwischen Staaten gefährden und internationale Spannungen verschärfen. Gleichzeitig kann der technologische Fortschritt genutzt werden, um Frieden zu sichern. 

Künstliche Intelligenz und Big Data ermöglichen etwa Frühwarnsysteme, die auf potenzielle Krisen hinweisen, bevor sie eskalieren. Ein Beispiel sind die Folgen des Klimawandels, die bestehende Herausforderungen in vielen Regionen der Welt verschärfen. Dürren, Überschwemmungen und extreme Wetterereignisse destabilisieren bereits heute Staaten und treiben Menschen in die Flucht. Innovative Technologien wie Drohnen oder Satellitenbilder ermöglichen eine präzisere Überwachung gefährdeter Regionen und können helfen, schneller auf klimabedingte Krisen zu reagieren.

Die Lücke zwischen Science-Fiction und Realität wird immer kleiner

Die Labore in den Forschungsinstitutionen auf dieser Welt arbeiten auf Hochtouren. Das Tempo wissenschaftlicher und technischer Durchbrüche hat massiv zugenommen. Ein spannendes und potenziell revolutionäres Feld ist die synthetische Biologie. Dabei können neue biologische Systeme oder Komponenten entwickelt werden, die sowohl zur Behandlung von Krankheiten genutzt, aber auch als biologische Waffen missbraucht werden könnten.  

Auch die Neurotechnologie sorgt für eine völlig neue Dynamik. In der militärischen Anwendung könnten Soldaten durch neurotechnologische Eingriffe leistungsfähiger werden: Höhere Schmerztoleranz und schnellere Entscheidungsfindung sind keine Science-Fiction mehr, sondern können Realität werden. Doch nicht nur auf das Militär hätten diese Entwicklungen Auswirkungen. Humanitäre Organisationen könnten traumatisierte Kriegsopfer, durch Minen verletzte Personen oder querschnittsgelähmte Menschen mit neuen Möglichkeiten behandeln.

Thanks to electrical stimulation of the spinal cord, paraplegic Sebastian Tobler (centre) is walking again. Professors Jocelyne Bloch (left) and Grégoire Courtine (right) brief the UN Security Council on 21 October. © Keystone
Thanks to electrical stimulation of the spinal cord, paraplegic Sebastian Tobler (centre) is walking again. Professors Jocelyne Bloch (left) and Grégoire Courtine (right) brief the UN Security Council on 21 October. © Keystone